Schweden (von Sandra Steinert)

aus: JA-Heft 1/2000

Keiner teilt. Jeder hat eine andere Art Flasche Bier oder Wein oder sonst was in der Hand, manche trinken nur Saft. Großzügig wird eine Chips-Tüte herumgereicht. Das ist hier halt einfach so üblich, denk ich mir. Aber ungewohnt ist es schon, und ein bisschen schade, schafft Distanz. Vielleicht wollen sie das hier so. Allerdings kann ich es bei den Alkoholpreisen ja verstehen, dass auf Parties jeder seinen Alkohol selber mitbringen muss.

Ich unterhalte mich mit dem Australier - Englisch natürlich, obwohl die Sprachkenntnisse der restlichen Leute hier - alles Schweden - vermutlich um ein Vielfaches besser sind als meine. Keiner der Schweden redet mit mir. Auch irgendwie typisch: der Schwede - als Typ an sich - ist ein extremer Perfektionist. Er macht nichts, was er nicht 100%ig beherrscht. Es heißt, wenn man einen Schweden mal kennengelernt hat und sich mit ihm gut versteht und sich eine Freundschaft entwickelt, dann ist das eine besonders tiefe Freundschaft, auf die man sich verlassen kann und die sehr lange andauert. Sagt man. Hab ich noch nicht gemerkt, wie auch? Als Exchange-Student unter vielen ist es klar, daß man zuerst die kennenlernt, die es einem nicht so schwer machen. Die anderen Exchange- Students eben, die übrigens mit den Schweden dieselben Probleme haben wie ich.

Die Sonne scheint mir gerade auf die Tastatur, das ist ein schönes Gefühl! Seit ich hier bin, nehme ich Wetter, die Temperatur und vor allem meine geliebte Sonne ganz anders war. Und da unterscheiden sich die Schweden hier nicht von den Ausländern: Man ist hier sonnenhungrig, nutzt gutes Wetter, um sich auf die geliebten Langlaufski zu stürzen und die Natur zu geniessen, die Extreme, die sich vereinen, den Sonnenschein und den Schnee, das rauhe Meer und die Langlaufspuren nebeneinander, die unberührte Natur, durch die man auf Trampelpfaden geführt wird.

Land der Extreme - vielleicht kommt das dem nahe, was ich kennengelernt habe in den letzten Wochen: Land der Wälder und der Forstwirtschaft - trotzdem bekommt man alles dreimal in Plastik verpackt. Land der zurückgezogenen Menschen - trotzdem duzt jeder jeden, und man spricht sich mit dem Vornamen an, selbst die Profs an der Uni, oder den Premierminister. Land der extremen Dunkelheit - im Winter bleibt es zwanzig Stunden am Tag finster - und der langandauernden Tage - im Sommer dauert der Tag zwanzig Stunden.

Ich weiss noch nicht, was ich daraus für Schlüsse ziehen soll, ob ich die Schweden verstehen kann oder jemals verstehen werde. Ich weiss allerdings, trotz aller Schwierigkeiten und Eigenarten, dass ich sie irgendwie jetzt schon liebgewonnen habe die Schweden mit ihrer singenden Sprache, mit der Gewohnheit überall Schlange zu stehen, ihre fleissige, motivierte Art zu arbeiten und niemals aufzugeben. Ihre Eigenart, in der Uni ein Paar Hausschuhe stehen zu haben und mit dem Fahrrad über Schnee und Eis zu brettern. Und natürlich nicht zuletzt die Förster hier, schwedisch und nicht-schwedisch, die wie überall einfach gute Parties feiern können!

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