Iran (Stephanie Rohde, Dorle Schuchardt)

aus: JA-Heft 4/2006

Kopftuch und Coca-Cola

Eine Studienreise in die islamische Republik Iran

 

Das Flugzeug der Emirates Airlines von Dubai nach Teheran setzt zur Landung an. Auf ein unsichtbares Signal holen alle noch unverschleierten Frauen Tücher aus ihren Taschen und beginnen mit mehr oder weniger routinierten Handgriffen, ihre Haare zu verdecken. Bei Maschinen der Iran Air besteht Kopftuchpflicht bereits ab dem Betreten des Flugzeugs, noch vor dem Abflug in Richtung Iran.

In dieses Land sind wir mit einer Studienreise des Politik-Instituts der Uni Freiburg gekommen, die im Rahmen eines Iran-Seminars von Dr. Michael Walter im August 2006 stattfand. Auf dem prall gefüllten, von den Studierenden mitgestalteten Programm standen unter anderem Besuche bei der deutschen Botschaft Teheran, der deutsch-iranischen Handelskammer sowie Treffen mit dem ZDF-Journalisten Ulrich Tilgner, einem Geistlichen und mit Kulturschaffenden. Die meiste Zeit haben wir in Freiburgs Partnerstadt Esfahan verbracht, außerdem waren wir in der Wüstenstadt Yazd und in Teheran.

In den Köpfen spuken Schlagwörter zum Iran herum. „Widersprüche und Kontraste“ zum Beispiel. Kleine Beobachtungen machen einen noch Wochen nach der Reise nachdenklich. Eine davon ist das „Coca-Cola Mysterium“: offiziell ist Coca-Cola im Iran verboten. Verwunderlich also, dass es überall das Gesöff des „großen Satans“ zu kaufen gibt. Um Zweifeln vorzubeugen steht „Original“ in Schönschrift drauf. Der Geschmack stimmt auch. Guckt man allerdings auf die Herstellerangaben, so fällt auf, dass die Cola in Maschad von halbstaatlichen Stiftungen produziert wird. Sie haben die amerikanische Coca-Cola Lizenz von Dubai gekauft. Der Staat profitiert somit von seinem eigenen Verbot.

Solchen Widersprüchen sieht sich die iranische Bevölkerung täglich ausgesetzt. Prominentestes Beispiel sind die Bemerkungen des iranischen Präsidenten über den Holocaust. Lässt man sich auf die Behauptungen ein, wird deren Widersprüchlichkeit erst offensichtlich. Ein iranischer Professor für deutsche Geschichte bemüht sich uns zu erklären, warum es den Holocaust nicht gegeben haben könne. Letztlich kam er nicht umhin, den Holocaust zumindest indirekt zuzugeben, als er die „Wiedergutmachungs“-Politik westlicher Länder gegenüber Israel deutete. Von unserem treuen Begleiter Ahmad, der ein Jahr in Freiburg studierte, erfahren wir, dass ein Iraner in seiner Schullaufbahn das Wort Holocaust nie hören würde.

Glücklicherweise haben wir etliche Iraner, beispielsweise junge Journalisten von regierungskritischen Zeitungen, getroffen, die über den Holocaust informiert waren und sich gegen die Bemerkungen des Präsidenten stellten. So wie diese Gespräche muss man sich wohl die Treffen westlicher Besucher mit Dissidenten in der Tschechoslowakei während des Kommunismus vorstellen. Alles muss möglichst unauffällig und mit großer Vorsicht ablaufen. Eine Bevölkerungsgruppe, mit der wir nicht sprechen konnten, sind Homosexuelle, da ein offenes Bekenntnis zu ihrer sexuellen Orientierung für sie im Iran lebensgefährlich ist. Homosexualität wird in dem Land, dessen Gesetze stark an der Scharia orientiert sind, mit der Todesstrafe geahndet.

Unabhängig von ihren politischen Einstellungen lernten wir die Iraner als sehr wissbegierig und kulturinteressiert kennen. Eigentlich konnten wir keine fünf Minuten herumlaufen, ohne – meist auf Englisch – angesprochen zu werden. Von freundlichen „Welcome to Esfahan“-Rufen über Einladungen zum Essen bis hin zu Heiratsangeboten war alles dabei.

Voll gepumpt mit Eindrücken verließen wir Iran. Es war ein seltsam bewegender Moment, im Flugzeug nach Dubai das Kopftuch abzunehmen. Die Frauen wirkten auf einmal etwas nackter – aber auch frei und wunderschön.

 

Stephanie Rohde, Dorle Schuchardt

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