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Rohr 2007

Bilder Rohr 2007 (M.Lekscha) HIER

Von Minderheiten und der Mehrheit

Wie oft stehen wir selbst als Minderheit einer Mehrheit gegenüber, wie oft handeln wir mit Vorurteilen gegenüber einer Minderheit sobald wir uns zur Mehrheit zählen und wie weit reicht eigentlich der Begriff der „Minderheit“? Mit diesen und anderen Fragen setzte sich Teilnehmer aus Deutschland, Tschechien und der Slowakei an Ostern in Rohr auseinander. Eingeladen zur traditionellen politischen Weiterbildungswoche hatte die Junge Aktion.Vojtěch Wagner, der Vorsitzende des Verbandes der Karpatendeutschen in der Zips, war eigens nach Niederbayern angereist, um uns einen umfassenden Einblick in die Minderheit der Karpatendeutschen in der Ostslowakei zu geben. Auch wenn diese Minderheit zahlenmäßig klein ist, betreibt sie doch ein reges Kulturleben und wird dabei sowohl von deutscher als auch von slowakischer Seite unterstützt. Aber auch andere ethnische Minderheiten wurden in den Blick genommen. Esther Jaksch führte uns mit vielen anschaulichen Beispielen in die Lebenswelt der Sami, einer indigenen Volksgruppe im Norden Europas ein.

Sabine Siemer berichtete uns von ihren Erfahrungen, die sie als Sozialarbeiterin in Berlin mit den verschiedenen Minderheiten machte. Ergin Önayak richtete den Blick auf religiöse Minderheiten, indem er uns beispielsweise von der islamischen Minderheit in Deutschland und der damit verbundenen gesellschaftlichen Problematik vertraut machte. In den Diskussionen der Arbeitskreise war für uns besonders der unterschiedliche Blick der Teilnehmer aus Deutschland, Tschechien und der Slowakei spannend.

Es gibt in unseren Gesellschaften neben Nationalität und Religion noch weitere Merkmale, die zur Unterscheidung zwischen Minderheit und Mehrheit führen. Dies wurde in den Arbeitskreisen deutlich. So schaffte Kerstin Hartl mit Rollstühlen, verbundenen Augen und verschiedenen anderen Methoden, dass wir uns in das Leben mit Behinderung einfühlen konnten und regte uns an, uns sensibler mit dem Thema auseinanderzusetzen und differenzierter in die Diskussion einzusteigen. Bei der Frage inwieweit die verschiedenen Minderheiten in Deutschland integriert oder ausgegrenzt sind, ging Dr. Wolfgang Schürger auch auf das Thema Homosexualität ein und bediente sich dabei alltäglicher Situationen.

Buntes Programm

In einem Vortrag berichtete uns Horst Kaller aus ganz persönlicher Sicht, was es bedeutet zu einer Minder­heit zu gehören. Nach seiner Vertreibung als Kind aus seinem Heimatort Jägerndorf/ Krnov folgte ein Neubeginn als Flüchtlingskind in Deutschland. Mit der Rente entschied er sich wieder nach Jägerndorf zurückzukehren und lebt dort seit zwei Jahren als Deutscher unter Tschechen und engagiert sich in der dortigen deutschen Minderheit.
Wenn wir uns gerade mal nicht thematisch beschäftigten stand in unserer „Freizeit“ ebenso viel auf dem Programm: es gab täglich „offenes Singen“, es wurden traditionell Ostereier gefärbt, Volkslieder einstudiert, auf Popmusik getanzt, aktiv Sport getrieben und ein Computerspiel in Live-Nachstellung uraufgeführt. Ein kleines Konzert stand am Freitagabend dank der kreativen Betätigungen und künstlerischen Fähigkeiten der Teilnehmer auch auf dem Programm.

Als Rahmen für die Tagung hatte sich das diesjährige Team, das sich aus Ute Neudörfl, Johannes Klötzl, Katka Jakubcova und Nicola Weiss zusammensetzte überlegt, dass wir uns alle in einer IKEJA-Filiale befinden und sämtliche Räumlichkeiten und Aktivitäten danach benannt. Dieses Thema passte auch aus einem anderen Grund sehr gut, da die Jugendgruppe IKEJA in der Slowakei tatsächlich als karpatendeutscher Jugendverband existiert.
Ebenfalls eine Art Umrahmung bildeten die spirituellen Angebote. Diese führten uns passend in die Liturgie der Kar- und Ostertage ein und gaben uns Zeit zur Besinnung. Ein besonderes Erlebnis war die Osternacht und der Gottesdienst, den Abt Gregor Zippel mit uns feierte.
Und wenn uns mal nicht das enge Programm in Anspruch nahm, genossen wir die Sonnenstrahlen im Hof des Klosters, unterhielten uns endlich mal wieder sehr anregend mit alten, lang nicht gesehenen Freunden oder knüpften neue Bekanntschaften. So war auch diese Woche in Rohr wie all die anderen Jahre wieder einmalig, unvergesslich und spannend wie nie eines zuvor.

Friederike Hauck