Bosnien und Herzegowina (von Sebastian Kraft)

Zwischen Aufbruch und Vergangenheitsbewältigung

Vertreibung, Versöhnung und zweites Vatikanum – Bosniens Katholiken suchen ihren Platz in einem schwierigen Staatskonstrukt. Doch wer kann, der geht.

Die Ackermann-Gemeinde beteiligt sich im Bistum Limburg an der „AG Sarajevo“, einer Bistumspartnerschaft, die seit den Balkankriegen (1992-1995) stetig an Tiefe gewann und zu einem Vorzeigeprojekt wurde. Es entstand eine Partnerschaft, in der deutsche Katholiken nicht nur geben, sondern Ihnen auch viel zurückgegeben wird. Sebastian Kraft, Bundessprecher der Jungen Aktion, begab sich Anfang Oktober auf eine Reise durch ein zerrissenes Land, in dem die Wunden von Krieg, Flucht und Vertreibung an jeder Straßenecke zu finden sind.

„Das schlimmste haben wir hinter uns. Erst nahm uns der Kommunismus die Freiheit und als wir sie nach 40 Jahren endlich hatten, kam der Krieg.“ Šimo Maršić sagt dies mit einer Ruhe in der Stimme, die in keiner Relation zu dem Gewicht seiner Aussage steht. Der promovierte Pastoral-theologe, der seine Studienjahre in Rom und Amerika verbrachte, hat einen Job, um den ihn eigentlich viele junge Priester beneiden müssten: Studentenpfarrer in einer europäischen Hauptstadt mit einer großen Universität, dazu im Besitz eines weitläufigen Grundstückes an den aufsteigenden Hängen des Flusses, unweit des historischen Stadtzentrums. Doch diese Stadt ist weder Madrid, Paris oder Wien, sondern Sarajevo, vor nicht mal zwei Dekaden fast drei Jahre von der serbischen Armee belagert und von Granaten beschossen, deren Verwüstungen bis heute das Stadtbild prägen. Kaum einer unter seinen Studentinnen und Studenten hat nicht Opfer in der eigenen Familie zu beklagen. Und das Land ist Bosnien-Herzegowina, ein Staatskonstrukt aus einer serbischen Republik und einer muslimisch-katholisch geprägten Föderation, das nahezu wöchentlich vor einer neuen Zerreißprobe steht. Die Folgen sind schnell erzählt: Wegen der unsicheren politischen Lage lässt sich hier kein ausländischer Investor nieder, die Arbeitslosigkeit liegt bei über 45 Prozent und das Bruttoinlandsprodukt ist kürzlich hinters Vorkriegsniveau zurückgefallen. Wenn Korruption messbar wäre, würde Bosnien auf der Skala sehr weit oben stehen. Die Lebenspläne seiner Studenten gleich sich: In der Heimat studieren, schnell fertig werden und dann nichts wie weg in die Länder Europas, wo es Arbeit gibt. „Es ist hart zu sehen, wie alle diese jungen Menschen Bosnien verlassen wollen und man ihnen nicht helfen kann.“ Doch Aufgeben würde er nie. Längst stehen die Pläne für ein großes Jugend- und Studentenzentrum am Ufer der Miljacka, Geld hat er genug gesammelt, ein deutscher Architekt hat ihm die Pläne geschenkt, einzig die Baugenehmigung steht noch aus. Auf die wartet er bereits drei Jahre. Nicht alle Stadträte der zu 80 Prozent muslimisch geprägten bosnischen Hauptstadt unterstützen eben sein Vorhaben.

Am Abend treffen wir Lucija, Nikola und Ivana, drei Studentinnen, die zusammen mit Šimo Maršić für das Jugendzentrum arbeiten. Es ist ein lauer Herbstabend und Sarajevo zeigt sich von seiner besten Seite. Die untergehende Sonne überflutet die kleinen Dächer der Altstadt, wo sich Orient und Okzident an jeder Straßenecke treffen. Das „europäische Jerusalem“, wie Johannes Paul II. Sarajevo einst nannte, erlebt einen lauen Spätsommerabend. In der engen Altstadt preist ein Cafe im Osmanischen Stil türkische Spezialitäten an, im Cafe Habsburg nebenan fühlt man sich bei einem Stück Sachertorte wie in Österreich. Als wir an der orthodoxen Kathedrale vorbeigehen, schallt der Ruf des Muezzins durch die Gassen. Ein paar Meter weiter, neben der katholischen Kathedrale, stolpern wir über einen roten Fleck auf der Straße – nach dem Krieg wurden alle Löcher, die Granaten in die Straßen und Menschen in den Tod rissen, mit rotem statt schwarzem Teer wieder aufgefüllt. Diese „Rosen von Sarajevo“, zu finden an jeder zweiten Kreuzung der Metropole, lassen die 10 000 Opfer der Belagerung zumindest vorerst nicht in den Statistiken der Geschichtsbücher verschwinden. Jetzt schreiben wir das Jahr dreizehn nach dem Krieg, es ist kurz nach 18h und das Leben in der Stadt kommt langsam richtig in Fahrt. Die Straßen sind voller Leute, das Leben pulsiert, während die Einschusslöcher an den Hauswänden etappenweise mit Beton übertüncht werden. Vor allem junge Menschen zwängen sich durch die engen Gassen der Stadt, auf der Suche nach der besten Kneipe für den Abend. Unsere Begleiterinnen kennen sich aus, wissen, wo es das beste Bier gibt. In einer Seitenstraße werden wir in ein Kellergewölbe geführt. Einfache Tische, viele Studenten und gutes Bier. Aus den Boxen schalt die neueste Ausgabe der Balkan-Beats, nach dem dritten Bier können auch wir mit grölen. Am Tisch nebenan fragt ein junger Mann nach Feuer. Die Tennisballgroße Narbe auf seiner linken Wange wird ihn für den Rest seines Lebens an einen Krieg erinnern, den er als kleines Kind erlebt hat. Die Kinder des Krieges sind die Jugend von heute – und die Zukunft des Landes. „Welche Zukunft?“, würde an dieser Stelle Nikolina einhacken. „Es gibt keine Zukunft, wenn man die wenigen Jobs nur über korrupte Beziehungen kommt. Mit ehrlicher Arbeit kann man nichts erreichen. Zumindest hier nicht.“ Die Politikverdrossenheit hat bei der bosnischen Jugend groteske Züge erreicht, die vor allem jetzt deutlich werden, wo im Land Kommunalwahlen stattfinden. Diese sind aufgrund der multiethnisch geprägten Stadträte vielerorts fast wichtiger als Parlamentswahlen. „Es ist völlig egal, wenn wir wählen“, wirft Lucija ein, „an der Situation ändert sich eh nicht. Die Politiker sind nur auf ein Haus an der Küste und ihre Ämter scharf.“ Von den Häusern gibt es an der 23 Kilometer langen bosnischen Adriaküste nicht viele, von den Ämtern hingegen genug. Ein Schweizer Modell sollte hier nach 1995 entstehen, auf ethnischem Proporz und Konkordanz beruhend. Das Ergebnis sind 110 Ministerposten für ein Land von der Größe Hessens, in dem nationalistische Töne von allen drei Ethnien bisher jeden Ausgleich verhindert haben.

Am nächsten Morgen nehmen wir die Schnellstraße Richtung Belgrad. Unweit von Pale machen wir halt, um an der Straßenecke einen Kaffee einzunehmen. Die Region wird heute fast ausschließlich von Serben bewohnt, früher gab es hier noch vereinzelt muslimisch geprägte Dörfer. Pale ist eigentlich ein verschlafenes Provinznestchen. Von hier aus plante Radovan Karadžić 1992 die Eroberung Sarajevos, die muslimischen Bosniaken auf dem Weg dorthin lies er vertreiben. Wir trinken unseren Morgenkaffee in einem heute ethnisch gesäuberten Gebiet. Beim Anblick unserer Karten spielenden Tischnachbarn können wir uns dabei gut ausmalen, dass unter ihnen international gesuchte Kriegsverbrecher, die die Vereinten Nationen bis zum heutigen Tag hier vermuten, nicht weiter auffallen würden. Böse Zungen behaupten gar, dass sie hier geschützt würden. Für Fragen bleibt keine Zeit, wir müssen weiter. Drei Autostunden später stehen wir an einem Ort, der nicht um seinen Platz in den Geschichtsbüchern fürchten muss. Es ist ein wunderschöner Sonnentag, die ersten verfärbten Blätter an den Bäumen kündigen den nahenden Herbst an, während Srebrenica so friedlich da liegt, als ob hier nie etwas gewesen wäre. Wir stehen an der Straßenkreuzung und warten auf zwei der „Frauen von Srebrenica“, die sich zu gleichnamiger Organisation zusammen geschlossen haben. Es ist Mittag. Der Hunger lässt uns die Lunchpakete öffnen, die wir am Straßenrand sitzend bei einem lauen Lüftchen genüsslich verzehren. Später sollten wir von den Frauen erfahren, dass sie an dieser Stelle von ihren Männern getrennt wurden. Es war ein Abschied ohne Wiedersehen. Während die Frauen und Mädchen ins muslimisch bevölkerte Gebiet um Tuzla abgeschoben wurden, erschoss die serbische Armee ihre Männer. Die muslimische Enklave Srebrenica sollte mitten im serbisch bevölkerten Gebiet aufhören zu existieren. Das bizarre daran ist, das diese Mission erfolgreich war, denn nach dem Krieg wollte kein Überlebender des Massakers nach Srebrenica zurück kehren. Mit dem Wurstbrötchen in der Hand stehen wir nun an der Stelle, die die Geschichte der Stadt für immer mit dem 12. Juli 1995 verbinden wird. An diesem Tag wurden hier knapp 10 000 männliche Bosniaken zusammen getrieben, in den umliegenden Wäldern und Fabrikhallen erschossen und verscharrt. 8372 hat man bisher in Massengräbern gefunden, der Rest liegt noch irgendwo draußen in den Wäldern um Srebrenica. Am 28. Oktober 2008 meldete die Nachrichtenagentur AFP die Entdeckung eines weiteren Massengrabes. Die Steinmetze werden also bald wieder neue Namen auf die Gedenktafeln ritzen. Wenn es eine Hölle gibt, so stehen wir an jener Straßenkreuzung gerade im Vorhof.

Es kommt einem fast befremdlich vor, wie uns die beiden Frauen in stoischer Ruhe über die Gedenkstätte führen, die direkt in den Friedhof übergeht. Zumindest äußerlich merkt man Ihnen nichts an, nur die eine oder andere Gesichtsregung verrät, was innerlich gerade in ihnen vorgeht. Wir schreiten durch das Meer der weißen Grabsteine, im Hintergrund erstreckt sich die Fabrikhalle mit dem verwaisten UN-Quartier der niederländischen Soldaten, wo sich einst 5000 Bewohner von Srebrenica vermeintlich sicher fühlten. Am Ende konnten oder wollten die niederländischen Soldaten nichts für sie tun und reisten mit ihren protzigen UN-Geländewagen einfach ab. Sie ließen die stehen, deren bosnische Gastfreundschaft sie in den vergangenen zwei Jahren genießen durften. Das Gemetzel in den Hallen der ehemaligen Fabrik begann. Nun nagt Zahn der Zeit an dem verlassenen Areal, beim Zwitschern der Vögel verspürt man fast eine himmlische Ruhe. Wer jenen brütend heißen 12. Juli 1995 nicht erlebt hat, für den ist das alles nur schwer zu erfassen. Während wir weiter gehen, biegen unsere beiden Begleiterinnen immer wieder unauffällig nach links und rechts ab, um an den Gräbern ihrer Angehörigen ein kurzes Gebet zu verrichten. Hajno Čatić läuft dabei keine fünf Meter am Stück auf dem asphaltierten Mittelweg. An zu vielen Gräbern muss sie inne halten. Die zierliche Dame, ganz in schwarz gekleidet und mit einem weißen Schal um den Hals, geht in dem Meer an Grabsteinen fast verloren. Neben ihrem Mann und den beiden Söhnen hat sie insgesamt elf Familienangehörige verloren, Bekannte und Freunde sind da noch nicht mit eingerechnet. Ihre traurigen Augen sind nicht hasserfüllt und in ihren Worten hört man kein verstecktes Anzeichen von Vergeltung. Medienscheu sind sie nicht, die Frauen von Srebrenica. Sie wollen ihre Geschichte erzählen. Ganz Europa soll hören, was hier im Jahre 1995 passiert ist, fast auf den Tag genau 50 Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges, wo Europa schon längst als Hort des Friedens und der Zivilisation galt. „Nur weil Serben unsere Männer ermordet haben, heißt das nicht, dass alle Serben schuldig sind. Wir wollen lediglich, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden.“ Ein Satz, in dem man das Wort Serben beliebig durch Bosniaken oder Kroaten ersetzen könnte. Es war ein Krieg ohne feste Frontlinien, weder auf dem Feld, noch in den Köpfen. Es war ein Krieg, in dem jede Seite Opfer und Täter war. Und ein Krieg, dessen Absurdität kaum zu überbieten war. Während in Sarajevo Kroaten und muslimische Bosniaken Seite an Seite gegen die serbischen Besatzer zu Felde zogen, schlugen sie sich ein paar Kilometer weiter südlich in Mostar gegenseitig die Köpfe ein.

„Srebrenica ist das Epizentrum, hier muss die Versöhnung beginnen.“ Als wir am nächsten Morgen Pedro Sudar, den Weihbischof von Sarajevo, treffen, wird uns die Dimension der Ereignisse erst richtig bewusst. „Schauen Sie, sie konnten sich mit Franzosen, Polen oder Tschechen nach dem Krieg sehr gut versöhnen, weil es den Mitteleuropäern wirtschaftlich gut geht. Armut und die teils erhebliche ökonomische Unterschiede zwischen den Ethnien unterwandern hier jeden Ansatz einer Aussöhnung.“ Wer einen bosnischen Pass hat, ist nur in zweiter Linien auch Bosnier. Die beste Situation haben dabei die Katholiken, da sie kroatische Pässe besitzen, quasi Eintrittskarten in die EU. Die Politik der Europäischen Union stellt den Inhabern serbischer Pässe Visaerleichterungen in Aussicht, wenn die Aufarbeitung der kriegerischen Vergangenheit so weiter geht wie bisher. Die muslimischen Bosniaken drohen nun vergessen zu werden, ohnehin gehören sie keinem „homeland“ an. Hin und wieder wird eine Verbindung in die Türkei konstruiert, erst neulich bei der Fußball-Europameisterschaft. Als die katholischen Kroaten im Viertelfinale an der Türkei scheiterten, organisierten die bosnischen Muslime spontan einen Autokorso durch Mostar. Einen türkischen Pass hat allerdings keiner von ihnen. „Vielleicht verstehen Sie jetzt langsam, in welchem Spannungsfeld wir Katholiken hier leben“, fährt Pedro Sudar fort, „vom zweiten Vatikanischen Konzil haben wir nichts mitbekommen, da wir in einem kommunistischen System gelebt haben. Als dann nach 1989 alle anderen ehemaligen Ostblockstaaten den Aufbruch in eine neue Ära vollziehen konnten, brach bei uns der Krieg aus und warf uns um Jahrzehnte zurück. Errungenschaften des Konzils wie die Arbeit in Pastoralräten können wir erst jetzt langsam umsetzen und die Gläubigen zu einer aktiven Mitarbeit bewegen. Dabei hat die Aussöhnung zwischen den Ethnien vorerst oberste Priorität.“ Dass der Weg in eine friedliche Zukunft nur über Kinder und Jugendliche geht, hat die Kirche von Sarajevo längst erkannt. Mittlerweile gibt es fünf der „Schulen für Europa“, in denen Kinder aller drei Ethnien gemeinsam unterrichtet werden und nicht wie sonst üblich getrennt. „Zu Beginn der neunziger Jahre wurde der unbekannte Nachbar von heute auf morgen zum Feind. Das beste Mittel, dass dies nie wieder passiert, sind die Kinder, wenn sie gemeinsam aufwachsen.“ Diese Kirchenpolitik musste Sudar kürzlich erst wieder in Rom verteidigen. Hier fragte man kritisch nach, warum an katholischen Schulen orthodoxe und muslimische Lehrer angestellt und bezahlt werden. Dagegen gibt es auch im eigenen Klerus Widerstände. „Wir müssen mit unserer Arbeit immer weiter machen, auch wenn wir wissen, dass Sie keinen Erfolg hat.“ Das ernüchternde Fazit seiner Ausführungen sagt Sudar ohne den Hauch einer Emotion in seiner Stimme. Er ist bei weitem nicht der einzige, den der Krieg gelehrt hat, seine Gefühle zu verbergen.

Nihad Saldic hätte das auch nicht besser ausdrücken können. Während des Krieges besetzten die Serben sein Dorf, er flüchtete nach Passau und baute sich dort eine neue Existenz als Unternehmer auf. So oft es geht, kommt er in seine Heimat zurück. „Der Weg in eine friedliche Zukunft kann nur über die Kinder von heute geschehen. Denn unsere Generation ist in den Trümmern unsere Häuser verbrannt.“ Ein Vergleich, der keineswegs hinkt. Denn in der Nihad Saldic´s Heimatdorf gibt es kaum ein Haus, das nicht zerstört ist. Als die serbische Armee in Nordbosnien durch kroatisch bevölkertes Gebiet zog, lies sie verbrannte Erde zurück. Die Häuser sind geplündert, Fenster- und Türstöcke herausgerissen. Die Salven der Einschusslöcher an den Wänden machen deutlich, dass nicht jeder Kroate freiwillig seine Heimat verlassen hat. Wir sind in Čardak, gut 200 km nördlich von Sarajevo, an der bosnisch-kroatischen Grenze. Šimo Maršić, der Studentenpfarrer, hat uns mitgenommen, um uns sein Projekt zu zeigen. Hier im serbischen Landesteil gibt es noch katholische Enklaven, das Dayton-Abkommen ermöglichte allen Vertriebenen eine Rückkehr in ihre Heimatdörfer. Und doch sind wir hier in einer Geisterstadt. Nur knapp 200 der ehemals 3000 Einwohner von Čardak wohnen wieder hier. Die Anreize für eine Rückkehr sind auch nicht gerade üppig. Strom bekamen einige Häuser von den serbischen Behörden erst nach fünf Jahren, für Straßenerneuerungen wird ohnehin kein Geld bereit gestellt und von Sonntagsspaziergängen ist aufgrund der zahlreichen Minenfelder in den Wäldern dringend abzuraten.

Für Šimo Maršić und seine Mitarbeiter gibt es keinen besseren Ort als diese Ruinen von Čardak, um für eine bessere Zukunft zu arbeiten. Jedes Jahr im Sommer organisiert er zusammen mit dem orthodoxen Priester aus der nahe gelegenen Kleinstadt das ökumenisches Camp "Friedensgrund" für Kroaten und Serben, eine Idee, die auf den mittlerweile emeritierten Hildesheimer Bischof Josef Homeyer zurückgeht. Widerstände gab es am Anfang nicht wenige, auch bei einigen katholischen Kirchenvertretern, die lieber für eine Stärkung der eigenen Position im Staat eintreten. Am Ende waren es die Kinder, die in ihrer infantilen Unbefangenheit beim abendlichen Lagerfeuer keinen Unterschied zwischen Ethnien machten, die ohnehin dieselbe Sprache sprechen. Jedes Jahr im Sommer bringen sie das Leben in ein Dorf, das den Rest des Jahres wie ausgestorben scheint. Von Jahr zu Jahr werden es mehr.

Als wir in der Abenddämmerung wieder zurück nach Sarajevo fahren, klingt das Handy von Šimo Maršić. Der orthodoxe Priester wünscht eine gute Heimfahrt und schließt uns in sein Abendgebet mit ein. „Nächstes Jahr“, erzählt uns Šimo, „wird seine Tochter mit unserer katholischen Studentengruppe nach Taizé fahren.“ Es sind die kleinen Schritte im interethnischen Vertrauen, die dem Land Anlass zur Hoffnung geben.

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