Europa macht uns alle gleich!?

Winterwerkwoche war früher, heute hat die Junge Aktion beschlossen, ihre traditionelle Begegnung über Silvester mit einem neuen Namen zu bezeichnen: Deutsch-tschechisches Silvester! Und so durfte die Junge Aktion über 20 junge Leute aus Tschechien und Deutschland in Hejnice begrüßen, um zum Thema „Europa macht uns alle gleich?!?“ gemeinsam zu diskutieren. Zeitgleich (und bis 04.01.2011) war die Ackermann-Gemeinde Bamberg-Eichstätt ebenfalls vor Ort, und wir trafen uns zu Arbeitskreisen, Diskussionen, Gottesdiensten und weiteren Programmpunkten. Hier nun einige Erlebnisse und Erfahrungen, die wir in Hejnice gemacht haben.

Es gibt zwei Hejnice!

Diesen Titel habe ich einmal durchaus poetisch und einmal einfach aus dem Grund gewählt weil es wahr ist, wie ich das herausgefunden habe. Dazu komme ich aber noch. Zuerst aber zum DTS, dem 1. Deutsch-Tschechischen Silvester: Hejnice war mal wieder ein super Begegnungsort. Ein frisches Team, neue Gesichter und ein ausgefülltes Programm haben uns eine tolle Tagung beschert. Positiver und kalter Höhepunkt der Begegnung war für mich (natürlich neben dem Silvester und der Silvester-PARTÄY) der Ausflug nach Bautzen. Allein auf der Fahrt dort hin haben wir zwei Staatsgrenzen passiert. Dort hatten wir dann eine Stadtrundschau bei -20°C, bei der wir alle fast eingefroren wären. Manche sind es sogar. Allerdings konnten wir uns anschließend in einem Restaurant aufwärmen und eine gesellige Zeit verbringen. Danach ging es entweder zur Besichtigung des ehemaligen Stasi-Gefängnisses oder zum Museum der Minderheit der Sorben. Ich habe mich für letzteres entschieden und das war eine sehr gute Entscheidung: Im Museum wurde uns die Geschichte der Sorben näher gebracht sowie die verschiedenen Kulturen, die es innerhalb der Volksgruppe gibt, vorgestellt. Von Kunst über Handwerkszeug bis traditionelle Tracht wurde vieles dort ausgestellt. Der interessanteste Moment der Führung war für mich jedoch das Ende, bei dem ich selbst die slawischen Wurzeln gleich mehrerer Völker live miterleben durfte. Denn durch einen Zufall hörte unser sorbischer Führer mich polnisch sprechen, was er wiederum verstand und anfing sorbisch zu sprechen. Das verstand unsere EVS-Freiwillige Majka (aus der Slowakei) und sie begann, slowakisch zu sprechen, worauf mehrere tschechisch sprechende Ackermänner sich zu der multilingualen Gesprächsrunde gesellten. Und obwohl fast alle unterschiedliche Sprachen sprachen, konnte jeder an der Konversation teil haben. Ein toller Beweis dafür, wie nahe sich unsere Völker doch sind!

Negativ überschattet wurde das Treffen jedoch vom krankheitsbedingten Fehlen Pater Rabans, Gott habe ihn selig. Viele von uns wussten vor der Begegnung in Hejnice gar nicht, dass er im Krankenhaus war. So sendeten wir ihm gemeinsam von der Jungen Aktion und der Ackermann-Gemeinde ins Krankenhaus eine Karte zur Genesung, um ihn wissen zu lassen, dass wir an ihn denken und für ihn beten. Leider verstarb Pater Raban am 07. Januar 2011 für uns sehr überraschend. Schön, dass er kurz vorher noch unsere Karte bekam, mit der er spürte, dass wir in Gedanken und mit Gebeten bei ihm waren. Nun muss ich aber den von mir gewählten Titel noch erklären: Wie mein Beifahrer und ich als Fahrer bei diesem DTS herausfinden mussten, gibt es WIRKLICH zwei Hejnice in Tschechien: Munter und motiviert fuhren wir den Weg, den uns das Navigationssystem berechnet hatte, um zum DTS nach Hejnice zu kommen. So kam es, dass wir kurz vor unserem Ziel eine kleine Pause einlegten und anschließend das Navi auf die genaue Adresse einstellten. Und was passierte dann? Ein großer Schreck, denn nach der Eingabe der genauen Adresse hatten wir noch einhundertachtzig (in Zahlen 180) Kilometer zu fahren! Das brachte noch mal ein „paar“ Fahrtstunden mehr in der tschechischen Nacht mit sich, die wir genießen durften. So kam es, dass ich das erste Mal an einem Tag so viele Kilometer gefahren bin. Alles hat eben seine guten Seiten und es hat mich sehr gefreut dieses Jahr dem Team behilflich gewesen zu sein.

Dafür dem Frischlingsteam ein riesen Dankeschön und ein Klopfer auf die Schulter. Unterm Strich war das wieder mal eine super Begegnung mit der Jungen Aktion und ein guter Start in das neue Jahr 2011!

Benjamin Lekscha

Bei den Arbeitskreisen mit der Ackermann-Gemeinde wurden viele interessante Diskussionen geführt. Peter, Samuel und Beni schreiben darüber:

Was weiß die Jugend über Vertreibung?
In unserem Arbeitskreis wurde von den AG´lern folgende Frage gestellt: „Was wisst ihr über die Vertreibung, was wisst ihr allgemein über diese Zeit?“ Sofort ist uns aufgefallen, dass man im Geschichtsunterricht nicht viel „Geschichten“ lernt, eher Zahlen und Daten, die man eher als unwichtig einstufen könnte. Jedoch die wichtigen Sachen, wie beispielsweise Entwicklungen, Gründe und mögliche Motive für die Taten werden nicht erwähnt. Die Frage, was die Menschen dazu getrieben hat, so zu handeln (z.B. bei der Vertreibung), andere Menschen zu verraten oder ihnen den Tod zu wünschen, bleibt offen.

Peter Eisner

Aktiv als Christen in die Gesellschaft wirken
Die Diskussionsgruppe stellte fest, dass sowohl Tschechiens Stalinisten als auch Hitler über demokratische Systeme an die Macht kamen. Das inspirierte sie, über die Notwendigkeit und die Möglichkeiten demokratischer Teilhabe zu diskutieren. Konsens war, dass wir gerade als Christen aktiv am politischen Leben teilnehmen sollten, um in die Gesellschaft hineinwirken zu können. Zudem wurde über die Sinnhaftigkeit von Objektivierung eigener Eindrücke und Geschichten der durch Archivbesuche und Fachbuchlektüre diskutiert. Dabei kamen Stimmen auf, dass vielmehr die Subjektivität der eigenen Sichtweise anerkannt werden sollte, um offen gegenüber Anderem zu sein. Das sollte die Grundbasis für künftigen Dialog sein.

Samuel Raz

Traumata der Vertreibung
In unserer Gruppe kristallisierte sich schnell heraus, dass die Behauptungen des Vortrags von Herrn Pustejovski stimmten. Die PTSD (Posttraumatische Belastungsstörung) war durch mehrere Erzählungen nicht nur bei den Eltern der Ackermänner sondern auch bei den Zeitzeugen selbst zumindest vermutbar. Viele der Erzähler klagten über traumatische Erlebnisse, die entweder bereits aus dem Unterbewusstsein gebrochen oder noch immer tief vergraben sind. So waren es Erlebnisse wie das Zusehen, als nahe Verwandte von den Revolutionstruppen ermordet wurden oder die Ablehnung der deutschen Bevölkerung gegenüber Vertriebenen, die unsere Vermutungen bestätigt und uns gemahnt haben. Durch diese Gespräche wurde der Vortrag unterstützt, bestätigt und verstärkt.

Benjamin Lekscha