2020

Silvesterbegegnung 2020/2021

Die diesjährige Silvesterbegegnung war erstmalig digital! Am 28., 29. und 30. Dezember gab es Nachmittags ein Programm, außerdem fand am 31. Dezember sogar noch individueler Spendenlauf statt.

Am 28. Dezember starteten wir über die Plattform Discord zum ersten mal online ins Silvestertreffen. Der erste Tag drehte sich um die Frage: "Was ist Tradition?" Dies zu klären war Aufgabe des Tages (Team: Julia & Maruška) und ich denke nach dem Workshop war das für alle Teilnehmenden etwas klarer. 

Am nächsten Tag gab es einen Vortrag über Dialekt und Tracht. Sehr anschaulich wurde erklärt (Christoph), was Dialekt ist, welche Gemeinsamkeiten es in verschiedenen Dialekten gibt, was sie voneinander trennt, wie sie entstanden sind und ob sie Gefahr laufen langsam aus dem alltäglichen Sprachgebrauch zu verschwinden. Man merkte erst nach dem Gespräch, wie die Sprache auch unsere Identität prägt. Dannach haben Hana & Zdenka eigenen Tracht (aus der Wischauer Gegend und Landecker Gegend) präsentiert, was sehr spannend war (Video und "live" gezeigt). Es ist wirklich ein wichtiger Teil der Kultur und der Tradition, die oft von Generation zu der anderen gegeben wurde.

Am 30. Dezember gab es noch eine virtuelle Stadttour. Das funktionierte so, dass jeder den anderen Teilnehmenden einige Fotos mit charakteristischen Motiven seiner Heimatstadt zeigte und etwas dazu erzählte. So erfuhren wir über zahlreiche Städte Fakten, die uns sonst vermutlich verborgen geblieben wären. 

Auch hier wurde der Abend nach dem offiziellen Teil mit Programm noch in der "Teestube", einem extra Channel auf Discord, mit einer lockeren und formlosen Unterhaltung zu Ende gebracht. 

Am 31. Dezember gab es schließlich noch einen Spendenlauf, bei dem vorher ausgesuchte Unterstützer*innen für jeden gelaufenen Kilometer der Teilnehmenden einen Betrag spendeten. Insgesamt kamen so 4900€ zusammen!

Auch wenn es natürlich für alle erstmal etwas ungewohnt war die Silvesterbegegnung online abzuhalten, kann man sie trotzdem als vollen Erfolg bezeichnen! Trotzdem hoffen wir natürlich mit euch das nächste Jahr wieder persönlich begrüßen zu können!

Online Debatte zum Thema "Post-factual Zeit, oder was kann man (noch) glauben"

Am Mittwoch, dem 2. Dezember 2020, fand die vierte Online-Debatte im Rahmen der "Online Reihe der Spirála" statt, diesmal zum Thema " Post-factual Zeit, oder was kann man (noch) glauben"

Es sprach Vojtěch Bruk, ein Absolvent der Politikwissenschaft sowie der Sicherheits- und Strategiestudie an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Masaryk-Universität in Brno und Mitbegründer des Projekts Zvolsi.info, das darauf abzielt, das Bewusstsein für Medienkompetenz und kritisches Denken zu schärfen.

Im Rahmen dieses Projekts wurde unter anderem der Medienleitfaden Surfer's Guide für das Internet erstellt, der "eine einfache Anleitung ist, wie man in der Medienwelt nicht einen Bären aufgebunden bekommt".

Vojtěch Bruk erhielt 2017 zusammen mit anderen Teammitgliedern den Gratias Tibi-Preis, der von "People in Need" für bürgerschaftliche Aktivitäten junger Menschen verliehen wird, die sich positiv auf das Leben in der Gesellschaft auswirken.

2018 erhielten sie für ihren Beitrag zur Zivilgesellschaft den Rektorpreis der Masaryk-Universität. Außerdem ist er Mitautor von The Best Book on Fake News (2018).

Vojtěch Bruk erzählte uns, wie wir in der riesigen Informationsflut, die ständig von allen Seiten auf uns zukommt, besser Bescheid wissen und erkennen, ob es sich um verifizierte Fakten oder Fehlinformationen handelt, die versuchen, uns zu manipulieren.

Vojtěch Bruk begann seinen Vortrag mit einem kurzen Video "Schlangen haben Füße", das zeigt, wie leicht falsche Informationen erzeugt werden und wie schnell sie sich weiter verbreiten können.

"Desinformation war und ist immer hier, die Verteidigung dagegen ist Bildung, die Verbesserung der Medienkompetenz und die Stärkung des kritischen Denkens." Genau das ist es, was Zvolsi.info anstrebt. In seiner Arbeit folgt er dem Motto "Zeigen Sie einer Person Manipulation und helfen Sie ihr für einen Tag. Bringe ihr bei, Manipulationen zu erkennen, und du wirst ihr ein Leben lang helfen."

Während des spannenden Vortrags erfuhren wir, was unter Hoax, Fake News und Verschwörungstheorien zu verstehen ist. Ein Großteil des Abends war aber über Fehlinformationen, die sich derzeit über die Coronavirus-Pandemie auf der ganzen Welt verbreiten.

Vojtěch Bruk erklärte unter anderem: "Wenn wir Flugblätter verteilen, aus denen hervorgeht, dass der Impfstoff nur dann in Ordnung ist, wenn Menschen sich impfen lassen, ist es zu spät."

Wir haben viele interessante Tipps bekommen, aus denen Informationen oder Materialien für den Unterricht abgeleitet werden können, sei es der Atlas der Verschwörungen, die Website der tschechischen Elfen, die World Media Teaching Platform oder die Publikation Disinformation Disinfection, die im Rahmen des One World-Bildungsprogramms erstellt wurde..

Darüber hinaus empfahl Vojtěch Bruk drei sehenswerte Filme: Beyond the Horizon, The Great Hack und The Social Dilemma.

Im zweiten Teil des Abends sprachen wir über soziale Bubbles und Algorithmen in sozialen Netzwerken, ob es einen Unterschied zwischen der älteren und der jüngeren Generation gibt und ob die ältere Generation anfälliger für Manipulationen ist oder welche Gefahren Deepfake-Videos in Zukunft darstellen könnten.

Während der Diskussion wurde auch gesagt, dass es bei der Widerlegung von Meinungen notwendig ist, die Theorie der Hilfsbereitschaft zu nutzen, sich nicht aus einer Position der Stärke einer Person zu nähern, mit der wir nicht einverstanden sind, sondern Verständnis zu zeigen und immer zu versuchen, eine Alternative bereitzustellen.

Abschließend betonte Vojtěch Bruk die Notwendigkeit einer guten strategischen Kommunikation des Staates sowie des Vertrauens der Öffentlichkeit und einer funktionierenden Medienerziehung. Wenn der gemeinnützige Sektor versucht, in diesem Bereich etwas zu unternehmen, dies jedoch gegen die Kommunikation des Staates ankämpfen muss, dann ist es nur wie "Wasser in einem Sieb zu fangen".

Wir danken der Hanns-Seidel-Stiftung für die finanzielle Unterstützung und den Gästen für ihre Teilnahme.

Online Debatte über Gewaltlosigkeit

"Gewaltlosigkeit" war das Thema der wöchentlichen Veranstaltung der Mitglieder der Sdružení Ackermann Gemeinde. Um während der 90 minütigen Zoomkonferenz das Thema möglichst umfassend zu diskutieren, haben zwei außergewöhnliche Frauen - Prof. Anna Hogenová, Leiterin der Abteilung für Philosophie der hussitischen theologischen Fakultät der Karlsuniversität, und Martina Viktorie Kopecká, Absolventin derselben Fakultät, hussitische Pastorin und Vertreterin der tschechoslowakischen hussitischen Kirche im Ökumenischen Rat der Kirchen.

Martina Viktorie Kopecká gab in ihrem Einführungsvortrag zuerst einen Einblick in das Thema des Abends, als sie mehrere Bibelstellen als Grundlage für die Reflexion über Gewaltlosigkeit vorstellte, insbesondere, als Jesus sprach: "Du sollst lieben Gott, deinen HERRN, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte." und "liebe deinen Nächsten wie dich selbst." Nach Kopecká ist die Grundlage der Gewaltlosigkeit die Liebe, in der wir nicht nur lieben, sondern auch zulassen, dass andere uns lieben. Sie erinnerte auch daran, dass der Ausweg der Gewalt zwischen Menschen die biblischen Zehn Gebote seien, die nichts befahlen oder verboten, sondern dem Volk bestimmte Grundsätze als Selbstverständlichkeit in der Art der Kommunikation anboten. Laut Kopecká haben wir eine große Chance, Gewalt unter uns und in uns selbst zu verhindern, wenn wir uns an diese Grundsätze halten, die auf der Liebe zu Gott und der Liebe zum Nächsten beruhen.

Nach ungefähr dreißig Minuten beschrieb Prof. Anna Hogenová, um das Thema von einer etwas anderen Seite zu eröffnen, die Empörung, die einst Hana Arendts Schlussfolgerungen aus Gesprächen mit Adolf Eichman auslöste. Basierend aus ihnen beschrieb sie das Phänomen des "banalen Bösen", das nicht ausschließlich mit "grausamen" Menschen in Verbindung gebracht wird, sondern von praktisch jedem ausgeführt werden kann, unter dem Deckmantel, des Pflichtbewusstseins und der Autoritätshörigkeit. Prof. Hogenová kam daher zu der These, dass Gewalt, im Gegensatz zu früher immer weniger sichtbar ist, und dass, "das moderne Böse Gewalt gewaltfrei ausübt. Es ist sehr grausam und gleichzeitig sieht es nach Banalität aus."

Im letzten Teil des Abends wurden den Seminarteilnehmern einige Fragen gestellt, die in erster Linie auf die Interpretation von Prof. Hogenové bezogen waren, allerdings gab es auch Fragen über die Stellung der Frau in der Kirche oder im Bereich der Philosophie. Insgesamt etwa fünfzehn Teilnehmer waren anwesend und und hörten die spannenden Informationen von diesem Abend.

Das nächste Treffen findet am Mittwoch, dem 2. Dezember, um 19:00 Uhr statt. Das Thema ist "Fake News". Als Gast kommt Vojtěch Bruk von der Initiative "Zvol si Info" (Choose Info). Die Veranstaltung wird durch der Hanns-Seidel-Stiftung gefördert - Danke!

Online Debatte zum Thema "Leben im Totalitarismus und/oder in der Demokratie"

Anlässlich des Nationalfeiertags am 17. November haben wir unsere zweite Online-Debatte geführt, diesmal zu einem sehr aktuellen Thema: "Leben im Totalitarismus und/oder der Demokratie"Milada Vlachová, eine erfahrene Dolmetscherin, Übersetzerin und Sprachanimatorin (CZ-DE), übernahm diesmal die Moderation. Vertreter zweier verschiedener Generationen, Petr Pazdera Payne (1960) und David Vereš (1979), erzählten von ihren persönlichen Erfahrungen aus der Zeit der Unfreiheit.

Herr Pazdera Payne durchlief verschiedene Jobs (er arbeitete als Sanitäter, Forstarbeiter, Erzieher am Jedličkův ústav, Nachtwächter, Heizungsmonteur). In den 1980er Jahren studierte er evangelische Theologie und arbeitete als Priester in Kaaden und Komotau (1989-1992). Er ist Unterzeichner der Charta 77. In den späten 1980er Jahren war er Mitbegründer des Unternehmens für ein fröhlicheres Gegenwart (UfG).

1989 arbeitete er mit Petr Uhl (ua. Preisträger des Europäischen Karlspreis der SdL, 2008) bei der Osteuropa-Informationsagentur zusammen. Er war auch ein direkter Teilnehmer an den Ereignissen des 17. November 1989 in Prag an der Nationalstraße (Národní třída).

Nach dem Regimewechsel arbeitete er als Lehrer an der Tschechischen Technischen Universität Prag (ČVUT), oder unter anderem auch als Beamter im Innenministerium. Seit den 1990er Jahren schreibt er Prosa, Poesie, dramatische Texte (sogenannte Dramolets). Er ist auch Autor einer Predigt. Darüber hinaus konzentriert er sich auch auf Grafiken. P. Pazdera Payne reflektiert auch seine persönlichen Erfahrungen mit der alltäglichen Realität im Zeitalter des Totalitarismus. Während der Debatte zitierte er zum Beispiel aus seinem Buch Kol dějů (2011) und einer Kurzgeschichte.

David Vereš emigrierte (noch) im Januar 1989 mit seinen Eltern und zwei älteren Schwestern nach Deutschland. Später hat er dorst sein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Weiden abgeschlossen. Er arbeitete als Dolmetscher, Projektleiter im tschechisch-deutschen Projekt "Wir sind Europa" oder als Prozessmanager und Leiter der Einkaufsabteilung. Seit 2014 arbeitet er fürs Zentrum Bavaria Bohemia in Schönsee.

Vor der Debatte selbst haben wir untersucht, was sich die jungen Menschen und Zuhörer von heute unter "Totalitarismus" vorstellen: Gesetzlosigkeit, die Unfähigkeit, frei zu wählen, hoffnungsloses Grau, die Unfähigkeit, Politik (öffentlich) zu kommentieren, zu reisen, eine Meinung frei zu äußern, Schikane vom Staat zu erleiden.

Anschließend beantworteten unsere Gäste auch diese Frage.

Wir dachten auch darüber nach, was der Impuls für die Menschen gewesen sein könnte, ihre Heimat zu verlassen: Unterdrückung seitens des Staates, die Unfähigkeit, im Feld der Wahl zu studieren oder zu arbeiten, Drohungen, Einschüchterung, (keine) Aussichten auf eine bessere Zukunft, ... "Zu Hause sagten sie etwas ganz anderes als in der Öffentlichkeit - wir hatten so ein Doppelleben," sagte dazu D. Vereš und P. Pazdera Payne ergänzte: "Es ging darum, Leute zu brechen, "etwas" zu unterschreiben (auch wenn sie nicht gelesen haben, was sie unterschrieben) oder Gewerkschaften beizutreten. Schon lange Haare waren ein Grund für Verfolgung."

Damals spielten Dissidenten eine besondere Rolle. "Bei der Geburt der Charta 77 gab es sehr gebildete Menschen. Das war es, wovor das Regime Angst hatte. Wir waren die 'inneren Feinde' des Staates, und solche Gegner mussten durch 'Einflussmaßnahmen' zerstört werden... Die Teilnehmer der sg. Wohnseminaren setzten auf Inhaftierungen von uns... Das einzige Mal, dass ich Angst hatte, war, als sie begannen, mir die Psychiatrie anzudrohen..."

"Die Kesselräume waren voll von ehemaligen Vikaren" (P. Pazdera Payne, 2018)

Freiheit könnte auch durch Aktivismus erkämpft werden, z.B. innerhalb des Unternehmens für ein fröhlicheres Geschenk (auch am 1. Mai 1989). Seine Vertreter organisierten zum Beispiel einen Lauf durch die Straßen politischer Gefangener für die Freilassung politischer Gefangener, an dem damals Dutzende Menschen teilnahmen, oder schrieben Briefe (auch auf Ungarisch), z. B. indem sie Teilzeithilfe beim Schneiden von Stacheldraht in der Nähe der ungarischen Nachbarn anboten. In der negativen Atmosphäre, die in der Gesellschaft herrschte, grau und hoffnungslos, brachten die Aktivitäten der UfG Erfrischung und verbreiteten durch ihre unformelle Form vor allem eine gute Stimmung.

Darüber hinaus organisierte die UfG beispielsweise eine Prozession, gegen die die Einheit der fröhlichen (Staatlichen) Sicherheit eingriff - mit Wassermelonenhelmen und Gurkenschlagstöcken. "Wichtig war, unsere Veranstaltungen zu vermitteln, sie in die Welt bzw. in die Medien hinaus zu bringen, die Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was hier vor sich geht." Die Akteure unerwünschter Aktivitäten schafften es jedoch bald ins StB-Register...

Neben der UfG oder der Unabhängigen Friedensvereinigung, die die Gesellschaft entmilitarisieren wollte, organisierte ein alternativer Militärdienst im August 1988 Demonstrationen und ein Happening vor der iranischen Botschaft zur Verteidigung von Salman Rushdie, das ebenfalls öffentlich stattfand. "Es ging darum, Solidarität zu zeigen - zur Unterstützung derer, die eingesperrt oder verfolgt werden", sagt Peter Pazdera Payne, der sich auch aktiv daran beteiligt hat.

Es ist nicht wahr, dass "jeder schon 1989 wusste, dass es platzen würde!"

Aus den Erfahrungen der Familie Vereš aus Westböhmen, die im Januar 1989 auswanderte, geht hervor, dass damals die Hoffnung auf eine bessere Zukunft in Sicht war. Unter den gleichen Umständen gelang es ihnen, nach Bayern zu gelangen, wo sie eine Zeitlang in einer Flüchtlingsunterkunft festsaßen. "Damals haben uns nicht alle Menschen, ebenso wie die heutigen Migranten, mit offenen Armen begrüßt. In meiner Schule waren die Kinder sehr taff - ich würde sagen, sie haben diese Haltung von ihren Eltern übernommen." Nach einer Weile bauten sie jedoch eine neue Existenz auf und planten unmittelbar nach den Ereignissen Ende 1989 keine schnelle Rückkehr in die Tschechoslowakei. "Niemand war sich damals sicher, ob der Regimewechseln dauerhaft war. Wir waren uns nicht sicher, ob es nicht wieder einen Regierungswechsel geben würde.
Heute würde ich sagen, dass ich mich als ein Europäier fühle."

Schließlich haben wir auch aktuelle Themen angesprochen: Kann man sich als ehemaliger Migrant mit den Menschen, die heute nach Deutschland kommen, identifizieren? Warum sollten wir uns heute sozial engagieren, wenn wir schon "Demokratie haben"? Und warum für das Wohl der Menschen, die jetzt für ihre Demokratie und die Achtung der Menschenrechte kämpfen (N'hor Karabach, Hongkong, Weißrussland)? Diese Themen konnten von jedem Teilnehmer reflektiert worden.

Die Diskussion bot somit allen Akteuren eine angenehme Gelegenheit, zurückzublicken oder darüber nachzudenken, wie eine Person als Individuum durch kleine Handlungen dazu beitragen kann, unsere Gesellschaft demokratischer zu machen.

Wir danken der Hanns-Seidel-Stiftung für ihre finanzielle Unterstützung und den Gästen für ihre Teilnahme.

Online Debatte zum Thema "Welche Vor/Nachteile bringt uns die EU?"

Am Mittwoch, dem 11. November 2020, fand in Zusammenarbeit mit der Hanns-Seidel-Stiftung und dem Institut für Europäische Politik (EUROPEUM) unsere erste Online-Debatte zum Thema "Welche Vorteile bietet uns die EU?" über die Zoom-Plattform statt. 

Das EUROPEUM wurde 1998 gegründet und begleitete die Zeit vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union. Das damalige Ziel war es, Veranstaltungen & das Leben in Prag und in Brüssel miteinander zu verbinden. Nachdem die Tschechische Republik Mitglied der EU geworden war (1. Mai 2004), änderte sich die Rolle des EUROPEUMs - heute ist es eine Denkfabrik, die an verschiedenen Studien zu Themen im Zusammenhang mit der europäischen Politik und dem Leben in der EU und den Mitgliedstaaten teilnimmt. Außeranderem liefert es Daten für die Medien sowie Konsultationen oder Analysen für Politiker und verfügt über eigene Experten zu verschiedenen Themen. Zu den beliebten Aktivitäten von EUROPEUM gehört beispielsweise das "Café Europa" (ein Zyklus verschiedener Debatten mit ExpertInnen oder PolitikerInnern). Die Organisation veröffentlicht auch eigene Forschungsergebnisse (in Zusammenarbeit mit anderen europäischen Ländern und den USA).

Gemeinsam mit erfahrenen Experten aus dem EUROPEUM, Martin Vokálek, Vít Havelka und Tereza Masopustová haben wir nicht nur über die Vor- und Nachteile der EU gesprochen, sondern auch darüber, wie beispielsweise über europäische Themen kommuniziert werden kann.

Mit Dozenten haben wir verschiedene Aspekte dieser Themen untersucht, diskutiert, wie sie sich im täglichen Leben der Menschen manifestieren, und interaktive Abstimmungen (z. B. zum Thema Einführung des Euro als gemeinsame Währung) oder unsere Argumentationsfähigkeiten ausprobiert.

Ein interessanter Teil dieser Sendung war auch die Präsentation der Ergebnisse, wie Tschechen einzelne Themen wahrnehmen (von "wichtig" zu "unwichtig"). Es stellt sich zum Beispiel heraus, dass die Möglichkeit, frei ins Ausland zu reisen oder zu studieren, nur für einen kleinen Teil der Bevölkerung wichtig ist. Im Gegenteil, eine große Gruppe von Menschen sieht Sicherheit, Migrations- und Außengrenzenkontrolle als die wichtigsten Themen an. Es ist jedoch nicht klar, welchen Einfluss der aktuelle mediale/politische Diskurs in der Tschechischen Republik hat oder ob das "nur" die Grundbedürfnisse der Menschen sind... Bisher gibt es keine Studie in allen EU-Ländern, die einen Vergleich ermöglichen würde.

Während des Abends wurden mehrere Argumente für und gegen die EU vorgebracht, die gut sind, um über ihre Wirksamkeit und Legitimität nachzudenken und sie zu überprüfen. Tatsache ist, dass wir seit der europäischen Gemeinschaft (die später zur EU wurde) als Europäer keinen bewaffneten Konflikt mehr erlebt haben. Dies ist die längste Friedensperiode in der Geschichte Europas (ungefähr 70 Jahre), die der Kontinent jemals erlebt hat - und es ist nicht gerade der "kleinste" Erfolg, der der europäischen Integration zugeschrieben werden kann.

Jüngere Teilnehmer haben meist eine positive Wahrnehmung der Möglichkeit, im Ausland zu studieren, ohne komplizierte Visabestimmungen zu reisen, fast überall und in jedem Bereich zu arbeitenErfahrungen zwischen Ländern & Menschen auszutauschen, ...

Ältere Redner begrüßten auch die Möglichkeit, im Ausland zu arbeiten, ärmere Regionen zu unterstützen (Solidarität, Entwicklung von Randgebieten)Investitionen sowie Innovationen, das schützen der Umwelt (einschließlich beispielsweise Dürrekontrolle und Wiederbelebung klimaresistenterer Landschaftsfunktionen) und den freien Markt (Geschäfte oder Einkäufe ohne Beachtung der Landesgrenzen).

Die negativen Aspekte, nämlich der Verlust der nationalen Identität und der traditionellen Werte, wurden ebenfalls ausführlich erörtert. Dies ist ein großes Thema für viele Menschen in der Tschechischen Republik, obwohl die europäischen Werte - anders als die "tschechischen" (!) - in der EU Charta klar definiert sind. Nach dem Auseinandersetzen damit kann festgestellt werden, dass die Werte, die das Ziel der EU und der "Tschechen" sind, wahrscheinlich nicht in Konflikt stehen...

Als Veranstalter haben wir uns sehr über die große Teilnahme (nicht nur aus den Reihen von Spirála und SAG!) an unserer ersten Online-Live-Übertragung gefreut - es war toll, Sie zumindest auf diese Weise "virtuell" zu treffen und wichtige und aktuelle Themen zu diskutieren, die uns direkt betreffen!

Wir möchten Sie zu unserer nächsten Debatte einladen, die am Mittwoch, dem 18. November um 19:00 Uhr zum Thema "Leben in Demokratie und/oder Totalitarismus?" mit Petr Pazdera Payne und David Vereš stattfinden wird. Der Raum ist ab 18:45 Uhr geöffnet, sodass sich jeder rechtzeitig einloggen kann.

Wir danken der Hanns-Seidel-Stiftung für ihre Unterstützung und allen unseren Gästen und Zuschauern für Ihre Bereitschaft zur Teilnahme.

II. Bundesvorstandssitzung der Jungen Aktion (November 2020)

Am 20.-21. November 2020 hatten wir die Bundesvorstandssitzung der Jungen Aktion der AG, die für Spirála SAG die Partnerorganisation ist.
Leider musste sie, wie aktuell ja nahezu alles, ebenfalls online stattfinden. Das Tat der guten Stimmung allerdings keinerlei Abbruch. Ging es am Freitag Abend noch größtenteils darum sich in geselliger Runde zu unterhalten und erste Fragen zu klären, war am Samstag sehr viel zu tun.

Trotz der Ungewohnten Situation ging es sehr konstruktiv zur Sache. Und auch Abseits den Auswirkungen der Corona Pandemie auf die "Junge Aktion" gab es einige Themen. So wurden nach den Begrüßungsworten des Sprechers Matthias Melcher zuerst die Berichte der Kooperationspartner, wie der Ackermann Gemeinde, der Spirála, der JuBiRe oder der Aktion West-Ost ausgetauscht und diskutiert.

Im Anschluss daran wurden die diesjährigen Veranstaltungen durchgesprochen, welche Verbesserungsvorschläge es gab, was bereits toll war (welche renovierungsbedürftige Jugendherberge in der Nähe von Pilsen ein großes Potential hat 😉) und natürlich auch ganz konkret auf was in den nächsten Veranstaltungen mehr/weniger Priorität gelegt wird.

Auch die zukünftigen Veranstaltungen und Projekte wurden besprochen. Zum Beispiel wie mit der diesjährigen Silvesterbegegnung verfahren wird, das Frühlingsplasto 2021, das 75jährige Jubiläum der Ackermann Gemeinde im August 2021 in Prag, eine Sommerwoche der JA & Spirála ebenfalls im August und ein Sommer Plasto Fantasto.

Auch über das Zukünftige Social Media Angebot der Jungen Aktion und Spirála wurde sich der Kopf zerbrochen. Ohne zu viel verraten zu wollen, wird es auch hier einige Neuerungen geben, um in Zukunft noch mehr Leute zu erreichen.

Um für einen (späteren) Generationenwechsel in der JA ebenfalls gut gewappnet zu sein wurden außerdem am Ende der Sitzung noch einige potentielle Interessenten für eine zukünftige Kandidatur für den Bundesvorstand der Zoom Konferenz hinzugefügt, sodass diese bereits jetzt einige wichtige Dinge kennenlernen 😊 Außerdem wurde die Wahl des neuen Bundesvorstands für nächstes Jahr vorbereitet.

Trotz der schwierigen Ausgangssituation war es ein durchweg positives (Online-)Treffen und neben der angenehmen Atmosphäre sind vor allem die tollen Ideen für die JA herauszustellen!

Die nächste Bundesvorstandssitzung wird am 14.-16. Mai 2021 (hoffentlich in präsenz in Frankfurt am Main) statt finden.

(Robin Stengel - ESC Freiwilliger bei der Spirála SAG) 

Junge Aktion feierte 70 Jahre!

"Thermostate der deutsch-tschechischen Nachbarschaft"

Auf sieben Jahrzehnte kann die Junge Aktion (JA), der Jugendverband der Ackermann-Gemeinde, heuer zurückblicken. Natürlich sollte dieses Jubiläum auch würdig und festlich begangen werden. Doch die am 9. April im Schloss Wörth a.d. Donau geplante Feier musste coronabedingt ebenso abgesagt werden wie die Festivität am 31. Oktober 2020 im Kloster Rohr. Es blieb eine Feierstunde im Internet, an der via Zoom ca. 70 Personen aus Deutschland, Tschechien, Österreich und sogar Frankreich teilnahmen - derzeit aktive und ehemalige Mitglieder sowie Prominente, die Grußworte sprachen bzw. eine Festrede hielten. Deutlich wurde, dass die Arbeit der Jungen Aktion auch heute und in der Zukunft nötig ist.

Über die tolle Resonanz freute sich in seiner Begrüßung JA-Bundessprecher Matthias Melcher. Er startete mit dem Video, das anlässlich der Verleihung des Bürgerpreises des Bayerischen Landtags 2018 an die Junge Aktion über deren Arbeit und Wirken gedreht wurde. Ein "Europa der Menschen" sei, so hierzu die JA-Bundessprecherin Johanna Lüffe, zusammengefasst das Ziel der JA-Arbeit.

Die Bedeutung von Brücken stellte Matthias Altmann, der Geistliche Beirat der Jungen Aktion, ins Zentrum seines geistlichen Impulses. Wie Brücken als Bauwerke Täler, Gräben oder Flüsse überwinden und Menschen darauf angewiesen sind, können "Brücken der Begegnung und Hoffnung" zur Überwindung von Gegensätzen und Krisen, Verständigung, Orientierung und letztlich zum Vertrauen beitragen. "Die Junge Aktion ist zu einer grenzüberschreitenden Brücke geworden", fasste Altmann zusammen und bat, diesen Mut zum Brückenbauen fortzusetzen. Mit einem gemeinsamen Vater unser in der jeweiligen Nationalsprache endete dieser Impuls.

Den Reigen der drei Grußwortredner eröffnete die tschechische Generalkonsulin Kristina Larischová. Sie dankte der Jungen Aktion "für die unermüdliche Arbeit für die deutsch-tschechische Nachbarschaft und Verständigung" durch die Begegnung von Jugendlichen. Für sie ist dies "ein ganz wichtiger Punkt in der europäischen Arbeit", und das gelte es, auf ein breites Fundament zu stellen. "Ich kenne und schätze die Arbeit der Jungen Aktion", stellte sie fest. "Zum 70-jährigen Jubiläum alles alles Gute und viele erfolgreiche weitere Jahre sowie viel Mut für die Arbeit", endete Larischovás eingespieltes Grußwort.

Live aus Prag dabei war Martin Kastler, der Bundesvorsitzende der Ackermann-Gemeinde. "Was wären wir ohne Euch Junge. Die Ackermann-Gemeinde ist ohne die Junge Aktion unvorstellbar"machte Kastler gleich zu Beginn deutlich. Und er betonte, dass nicht jeder Jugendverband sieben Jahrzehnte schafft, weshalb er den in früheren Jahren engagierten JA-Mitgliedern dankte, von denen nicht wenige unter den Zuhörern waren. Als zentralen Grund für die sieben Jahrzehnte sah der Bundesvorsitzende das Profil der Jungen Aktion. "Nur wer ein Profil hat, hinterlässt auch einen Fußabdruck", meinte Kastler und bezog dies auch auf prägende Personen in den diversen Epochen. Im Fokus sei stets ein "lebendiges Miteinander" gestanden - unter den JA-Leuten und mit dem Erwachsenenverband, wie die jüngsten Veranstaltungen (Katholikentag in Münster, Begegnungstage in Landshut) gezeigt haben. Kastler vergaß auch das leider erfolglose Bemühen der Jungen Aktion bezüglich der Jugendherberge in Haidmühle nicht, wo viele Jahre in Grenznähe zu Tschechien die Plasto Fantasto-Veranstaltungen für jüngere Jugendliche stattfanden und gewissermaßen eine Basis für die JA-Arbeit bildeten. Wichtig für das Wirken der JA sei ferner, auf den vorhandenen Wurzeln aufzubauen. "Viele wissen: es gibt einen Jugendverband, der das Deutsch-Tschechische lebt. Ihr seid wie Thermostate der deutsch-tschechischen Nachbarschaft: ihr wisst, bei welchem Wetter mit welchen Maßnahmen und Methoden ihr die Nachbarschaft gestalten könnt. Nicht abkühlen und nicht überhitzen. Alles Gute für die kommenden 70 Jahre", schloss Kastler sein Grußwort, verbunden mit der Hoffnung, bald wieder richtig miteinander feiern und sich begegnen zu können.

Vom Schloss Wörth a.d. Donau, wo im Jahr 1950 erstmals die Junge Aktion als Gruppe aktiv war, richtete in ihrer Videobotschaft die Landtagsabgeordnete Sylvia Stierstorfer, zugleich Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene, das Wort an den Jubelverband. "Ich bin tief beeindruckt davon, was Sie leisten - ehrenamtlich für eine gute Verständigung mit Tschechien", würdigte Stierstorfer die Junge Aktion und verwies auf den Partner-Jugendverband in der Tschechischen Republik. "Wir sind alle Europäer. Ich danke Ihnen für das, was Sie in den letzten 70 Jahren für den Verständigungsprozess geleistet haben und dass Sie den Kontakt zu Tschechien aufrechterhalten. Für die Zukunft wünsche ich Tatkraft, Mut, alles Gute und Gottes Segen", schloss die Landtagsabgeordnete ihr Grußwort.

Aus dem Kloster Rohr, lange Zeit Ort der österlichen Kultur- und Einkehrtage der Jungen Aktion, übermittelten Prior Frater Franz Neuhausen OSB und Abt em. Gregor Zippel OSB Grüße. Frater Franz' Erinnerungen an die JA gehen bis 1982 zurück, "Verbindungen bestehen bis zum heutigen Tag, vielfach auch privat, über das Rohrer Forum". Altabt Gregor betonte, dass er einen Großteil der JA-Aktiven über die Jahrzehnte begleitet habe, und wünschte für die Zukunft "Mut, Entschlossenheit und Gottes Segen für all euer Tun".

In Rohr hat auch der frühere tschechische Schulminister Ondřej Liška, der aus Wien eingeloggt war, die Junge Aktion kennengelernt. Diese habe einen großen Platz in seinem Herzen, bekannte er und erinnerte an die Begegnungen in Chudenice, die sein Leben verändert hätten. Er schilderte die Rahmenbedingungen für das vor 27 Jahren erfolgte erste Treffen mit Vertretern der Jungen Aktion in Pilsen/Plzeň, obwohl ihm weder die Ackermann-Gemeinde noch die Junge Aktion zuvor bekannt waren. "Ich habe leuchtende Leute getroffen und viel Gemeinsames entdeckt - auch zu meiner Heimatstadt Brünn", führte Liška aus. Damit meinte er das Verschweigen der Ereignisse am Ende des Zweiten Weltkriegs - den Brünner Todesmarsch bzw. die Vertreibung der Deutschen - durch die Stadt. "Das hatte nichts mit Gerechtigkeit und Recht zu tun", beurteilte der Grünen-Politiker. Bei der Begegnung mit den Leuten der JA sei er auf Gleichgesinnte gestoßen, die sich ebenso für Verständigung engagierten. Liška erklärte auch, dass sein sieben Jahre späterer Aufruf an die Stadt Brünn/Brno, sich zum Todesmarsch zu bekennen, zunächst zwar "zum Teil wilde und aggressive Reaktionen" hervorgerufen habe, doch später - mit dem 70-jährigen Gedenken - von der Stadt Brünn quasi als Deklaration der Versöhnung übernommen worden sei. "Es dauert manchmal ganz lange bis zur Versöhnung, bis die Begegnung Früchte bringt", fasste der ehemalige Minister zusammen und riet daher zur Geduld. "Ich bewundere die Junge Aktion auch dafür, dass sie sich schon mehrfach neu erfunden hat. Sie hat etwas Universelles, ein Narrativ aufgebaut, das sie sich immer wieder vergegenwärtigt: auch heute braucht es Verständigung. Die Ackermann-Gemeinde und die Junge Aktion sind wahre Zeugen dieser Werte. Mit dieser unglaublichen Kraft hat die JA das Leben vieler Menschen verändert", lobte zusammenfassend Ondřej Liška.

Im nächsten Teil der Online-Feier ging es um die Historie der JA. Vor Schloss Wörth hatten sich in einem Video-Einspieler die Bundessprecher Melcher und Lüffe mit dem JA-Banner postiert. Sie erinnerten an die erste eigenständige Zusammenkunft der JA als Gruppe im Jahr 1950 eben an diesem Ort, wo auch das Jubiläum geplant war. Hier fand 2017 auch die Verleihung des Europäischen Bürgerpreises an die Junge Aktion statt.

Die Festrede mit geschichtlichen Bezügen oblag Prof. Dr. Barbara Krause, die nicht nur in führenden JA-Positionen, sondern auch Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BdkJ) war. Als wesentliche DNA der Ackermann-Gemeinde nannte sie das immer neue Hinschauen darauf, "was in der Kirche und in der Welt los ist". Dies gelte auch - mit verschiedenen zeitlichen Hintergründen - für die Junge Aktion. In den 1950er Jahren waren die Neuorientierung, Anerkennung von Schulabschlüssen, Arbeitsplatzfindung, der Heimatverlust und die Situation der Familien privat die wesentlichen Aspekte. Bei Treffen mit Gleichgesinnten konnten diese Dinge besprochen werden. Politisch begann der Kalte Krieg mit den Aufständen in der DDR und in Ungarn sowie der Kirchenverfolgung in der ČSSR. "Das prägte die Beschäftigung mit dem Kommunismus. Menschenrechte, Religionsfreiheit und Recht auf Heimat wurden die Themen der JA, wobei der Blick auf die Völker Mitteleuropas wichtig war", schilderte Krause. In den 1960er Jahren weitete sich der Blick: ehemalige Kolonien wurden zu selbständigen Staaten, Entwicklungsarbeit, diverse Enzykliken. Aber auch die Menschenrechte etwa in Griechenland wurden thematisiert. Regionale Identität überwog nun bei der JA. Angesichts eines schwindenden allgemeinen Interesses an Mittel- und Osteuropa nahm sich die Junge Aktion dieses Themas an. "Mitte der 60er Jahre fuhren wir als Touristen in die Tschechoslowakei und haben uns heimlich mit Leuten getroffen. 1968 nahm eine Gruppe junger Tschechen an der Bundeswoche teil, nach dem Prager Frühling waren noch ein Jahr Gruppenkontakte möglich, dann aber zerschnitt der Eiserne Vorhang für zwei Jahrzehnte die Begegnungen", führte Krause aus. Die 1970er Jahre waren von der neuen Ostpolitik und der Würzburger Synode (neue Wege der religiösen Bildung und bei der Gottesdienstgestaltung) geprägt. Die Junge Aktion verstand sich als Anwalt, um auf die Situation in der ČSSR sowie in Mittel- und Osteuropa aufmerksam zu machen. Friedensdemonstrationen und hohe Zahlen von Spätaussiedlern gab es in den 1980er Jahren, ehe im Herbst 1989 der Kommunismus zusammenbrach. Die Junge Aktion bot in den 80er Jahren verstärkt Reisen und engagierte sich bei der Bearbeitung historischer Ereignisse. "Im Sommer 1989 gab es erstmals wieder Begegnungen mit tschechischen Partnern", blickte die Festrednerin zurück. Diese intensivierten sich ab Beginn der 1990er Jahre, es wurden "ganz normale Jugendbegegnungen", die dann mit dem Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union neue Rahmenbedingungen (Freiwilligen-Arbeit, Studium usw.) erhielten. Doch Krause verschloss die Augen nicht vor aktuellen Entwicklungen. "Die Menschenrechte geraten unter die Räder des Machterhalts oder der Gewinnmaximierung. Die Gefährdung des Friedens nimmt wieder zu. Auch heute haben wir keine einfachen Zeiten, auch heute müssen wir neu hinschauen", womit die Professorin bei ihrem Ausgangszitat von 1950 war. Die JA möge, so Krause, weiter eine offene und fröhliche Gemeinschaft junger Leute bleiben, Verantwortung übernehmen, die Spuren der Botschaft Jesu suchen und deuten und die Aufgaben auf Gottes Ackerfeld anpacken.

Das Abschlussgebet oblag Prior Frater Dr. Vinzenz Proß OSB vom Benediktinerkloster Niederaltaich, wo die JA seit einigen Jahren ihre Kar- und Ostertagung abhält. Er dankte "für 70 Jahre Versöhnungsarbeit, für Frieden und Verständigung in der Mitte Europas".

Mit per Video eingespielten Musikstücken, d.h. mit Werken von Georg Philipp Telemann und Georg Friedrich Händel, umrahmte das Streichquartett des Rohrer Sommers die Feier. Sach- und Personenkenntnis war danach beim JA-Quiz gefragt, bei dem manche Ereignisse und Episoden aus den sieben Jahrzehnten wieder ans Tageslicht kamen.

Markus Bauer

Gute Nachbarschaft trotz Corona – tschechisch-deutsche Sommerschule 2020

Vom 31.07-05.08.2020 trafen sich einige Jugendliche des Verbands Spirala Ackermann-Gemeinde in der Nähe von Pilsen, um sprachliche und kulturelle Barrieren abzubauen. Nach einer längeren Pause aufgrund Coronas, waren alle Beteiligten froh einen gemeinsamen Sommer zu verbringen, in welchem nicht nur neue Sprachen gelernt, sondern auch tschechisch-deutsche Freundschaften geknüpft wurden.

Natürlich war diese Freizeit mit einigen Herausforderungen verbunden. In unserem Magazin werden wir in mehr Detail berichten, wie, wann und wer die Idee hatte. Wir sind wir mit dieser besonderen Situation umgegangen? Wie unterrichten wir?

Ich denke, es war im Jahre 2017 und ich habe noch in Berlin studiert. Damals hat mich Amálka Kostřížová besucht und wir beide haben beim Kaffee überlegt, was wir noch mit der JA und Spirála machen könnten. Vielleicht wäre es nicht schecht, sich mehr auf die Fremdsprachen konzentrieren, habe ich vorgeschlagen. Wir haben festgestellt, dass es atraktiv und praktisch klingt und so einfach und schnell wurde der Gedanke geboren, eine deutsche-tschechische Sommerschule zu veranstallten. Aktiv habe ich mich dannach nicht so intensiv beteiligt, doch Amálka hat wie immer Worte in Taten umgesetzt und bereitsch im Jahre 2018 die erste und sehr erfolgreiche Sommerschule in Melchiorova Huť in der Nähe von Pilsen veranstalltet. Ich war damals leider nicht dabei, aber ich habe mir gesagt, dass ich nächstes mal unbedingt mitmachen muss. Obwohl wir im Frühling 2020 andere Gedanken hatten und nichts sicher war, hat es sich gelungen, die Sommerschule im August zu realisieren. Und ich habe mich endlich beteiligt.

Es ist keinesfalls übertrieben, wenn ich sage, dass es mein schönstes Erlebnis dieses Sommers war. Als Lektorin habe ich jeden Vormittag tolle Deutschstunden mit meinen unglaublich motivierten Schülern verbracht. Sehr ähnliche Eindrücke haben mir meine Kolleginen, die Tschechisch unterrichtet haben, mitgeteilt. Jeden Nachmittag habe ich erstaunt beobachtet, wie spontan der deutsch-tschechische Dialog funktionieren kann. Und als Historikerin und Jiddischistin habe ich mich mein Traum erfüllt und einen Jiddisch-Worskshop geleitet, wo man noch deutlicher sehen konnte, wie eine Sprache, die Völker verbindet. Egal ob wir gerade Sprachen gelernt haben oder am Abend beim Bier gesessen haben, die Atmosphäre war sehr freundlich und entspannt. Ich hoffe, dass ich bald wieder die Möglichkeit haben werde, bei ähnlichen Projekten mitzuhelfen.

(Eliška Pekárková)